Die Alan Kurdi der deutschen NGO «Sea-Eye». Bild: EPA SEA-EYE
Der Streit um die «Sea Watch 3» ist noch nicht ganz ausgestanden, schon kreuzen weitere Rettungsschiffe vor der italienischen Küste – darunter ein deutsches. Italiens rechtsextremer Innenminister schreibt einen wütenden Brief.
Die Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete ist frei – und wieder nehmen Rettungsschiffe Kurs auf Italien. Das Segelschiff «Alex» übergab am Donnerstag 54 aus Seenot gerettete Menschen der maltesischen Küstenwache – doch das italienische Lampedusa durfte es nicht anlaufen. Malta erklärte sich bereit, die Hilfsbedürftigen aufzunehmen, sollte Italien im Gegenzug die gleiche Anzahl Flüchtende aus Malta übernehmen. Die italienische Regierung stimmte zu.
Doch das deutsche Rettungsschiff «Alan Kurdi» hat ebenfalls 65 Menschen an Bord – wohin wird es Kurs nehmen? Jedenfalls nicht zurück nach Libyen. «Wir werden keine Geretteten zurück in libysche Foltergefängnisse bringen», schrieb die Hilfsorganisation Sea-Eye im Kurznachrichtendienst Twitter. Sie widersetzt sich damit einer entsprechenden Anordnung der sogenannten libyschen Küstenwache. Die Crew kontaktierte die Rettungsleitstelle in Deutschland, das Auswärtige Amt soll vermitteln.
Italiens Innenminister Matteo Salvini braust auf. Bereits der «Alex» verweigerte er die Einfahrt – um wenige Stunden später dem Deal mit Malta zuzustimmen. Nun fürchtet er, dass auch die deutsche «Alan Kurdi» bald vor Italiens kreuzen wird. Deswegen schreibt er einen wütenden Brief an Deutschlands Innenminister Horst Seehofer .
«Italien (...) beabsichtigt nicht, weiterhin der einzige 'Hotspot von Europa' zu sein.» Das Schiff könne nicht nach Italien fahren – auch nicht im Fall einer späteren Weiterverteilung der Geretteten. Eine Verschlechterung der Situation an Bord werde ausschliesslich auf Deutschland als Flaggenstaat, auf den Kapitän und die Crew der «Alan Kurdi» zurückfallen, warnte Salvini.
Doch die Zeichen stehen auf Konflikt. Die Bundesregierung ist zwar generell bereit, Schutzsuchende aufzunehmen – jedoch unter der Voraussetzung, dass auch andere Staaten einwilligen. Ziel sei es, «eine schnelle Lösung zu finden», erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Zunächst müsse ein sicherer Hafen gefunden. Welcher soll es sein, wenn nicht Lampedusa?
Noch am Donnerstag hatte Sea-Watch-Kapitänin Rackete im Interview mit dem Nachrichtenmagazin «Spiegel» schwere Vorwürfe gegen Seehofer erhoben. Deutsche Kommunen hätten zwar angeboten, Migranten von der «Sea-Watch 3» aufzunehmen. «Es scheiterte dann aber auch an Bundesinnenminister Horst Seehofer, der keine Lust hatte, die Angebote der Städte anzunehmen», sagte Rackete, die nach Tagen der Verhandlungen schliesslich ohne Erlaubnis Lampedusa angelaufen hatte.
Italienische Behörden hatten die deutsche Seenotretterin dafür festgesetzt – ein Gericht liess weite Teile der Vorwürfe später allerdings fallen. Rackete habe keine Straftat begangen, sondern nur ihre Pflicht als Kapitänin erfüllt. Nun steht nur noch der Vorwurf der «Beihilfe zur illegalen Migration» im Raum. Sea Watch erwartet allerdings keine Anklage – im Gegenteil kündigte die Organisation eine Klage gegen Salvini wegen Verleumdung an.
CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller forderte die EU-Staaten zum Handeln auf. «Wir brauchen einen Vorstoss mit den Mittelmeerländern und den aufnahmebereiten Mitgliedstaaten der EU.» Man habe viel zu lange gewartet und dürfe Italien, Griechenland, Spanien und Frankreich nicht alleinelassen. «Sea-Watch gestern ist Sea-Watch morgen», sagte Müller. «Wir fangen dann beim nächsten Schiff wieder mit derselben Diskussion an.»