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Liebe Sonja,
zuerst einmal: Ich leide wahnsinnig mit dir mit. Wenn ich mir vorstelle, dass meine beste Freundin so einen Tyrannen hätte, läufts mir grad kalt den Rücken runter.
Die Lage ist sehr verzwickt. Kerstin ist erwachsen, mündig, selber für ihr Leben und Leiden verantwortlich. So sehr du sie liebst, du kannst sie nicht vor diesem Mann beschützen.
Was du aber kannst und was ich an deiner Stelle unbedingt machen würde: ihr regelmässig den Spiegel vorhalten. Ohne irgendetwas zu beschönigen. Ohne Angst vor ihrer Reaktion. Das Unangenehme beim Wort nennen.
Sie wird sich ständig winden, kurzfristig treibst du sie damit vielleicht noch etwas mehr in seine Arme. Deine Worte werden aber haften bleiben und spätestens im stillen Kämmerlein wird sie sich Gedanken machen.
Sag ihr, dass es dich zerreisst, dass sie an einen Mann geraten ist, der sie schlecht behandelt, der sogar gewalttätig wird. Sag ihr auch, dass der sich mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht ändern wird. Frag sie, ob sie wirklich den Rest ihres Lebens an der Seite eines solchen Typen verbringen will.
Sag ihr, dass es in einer Beziehung sehr wohl mal turbulente Zeiten gibt, die guten aber definitiv überwiegen müssen.
Sag ihr, dass du sehr wohl verstehst, dass er gut im Bett ist. Dass das aber nicht reicht, um eine respektvolle Beziehung zu führen.
Sag ihr, dass du auch sehr wohl verstehst, dass ein Schlussstrich Angst macht, Ungewissheit bedeutet und zuerst einmal eine grosse Leere da wäre. Sag ihr dazu unbedingt, dass du mit ihr da durch gehst. Dass es sich lohnt. Dass sie belohnt wird.
Es ist nicht wichtig, wie du deine Gefühle formulierst. Wichtig ist einfach, dass du sie kommunizierst. Immer wieder. Selbst wenn Kerstin sauer wird, eine gute Freundschaft hält vieles aus.
Und irgendwann, da bin ich mir sicher, wird dir Kerstin sehr dankbar sein. Halte durch. Für sie. Und ihren Frieden. Den sie, da bin auch ich mir aus der Ferne sicher, wirklich nur ohne ihn finden kann.
Alles Gute.
Deine
Das bin nicht ich, aber so würde ich als Illustration aussehen. Öppe. bild: watson