Die Insassen des roten Renault Kadjar hatten keine Chance, der weisse Porsche Cayenne war mit massiv überhöhter Geschwindigkeit unterwegs. Bild: Kantonspolizei Aargau
Es war ein tödlicher Spurwechsel: Wegen Bauarbeiten auf der Autobahn A3 bei Effingen wurde der Verkehr einspurig geführt. Der Unfallfahrer – der massiv zu schnell unterwegs war – bemerkte die gesperrte Überholspur zu spät, wechselte abrupt auf die rechte Spur und krachte mit seinem Porsche Cayenne in das Heck eines Renault Kadjar. Der Renault wurde dabei mit voller Wucht in die Rückseite des vor ihm stehenden Sattelschleppers gedrückt.
Bereits beim Eintreffen der Rettungskräfte war klar: Keiner der Insassen des Renaults hat den Crash überlebt. Auf Bildern ist zu sehen, wie stark das Auto zusammengedrückt wurde. Es ist nur zu erahnen, welche Kräfte dabei gewirkt haben.
Wir haben mit einem Unfallexperten über den Crash vom Mittwoch gesprochen. Er betont: «Viele Autofahrer unterschätzen die Gefahren von überhöhten Geschwindigkeiten.» Die hohen Tempi bringen vor allem zwei Probleme mit sich:
Wie heftig Unfälle ausgehen, hängt oft von der vorhandenen kinetischen Energie ab. Diese verhält sich nicht proportional zur Geschwindigkeit, wie in der Grafik unten zu sehen ist.
So ist das Momentum bei 80 im Vergleich zu 40 Kilometern pro Stunde eben nicht doppelt so hoch, sondern gleich viermal. Die Energie eines ungebremsten Porsche Cayenne (ca. 2,5 Tonnen schwer) mit Tempo 80 entspricht 620'000 Newtonmeter. Bei einem Aufprall wirken Energien, wie wenn man von 62 Tonnen (entspricht rund zehn Elefanten) erdrückt wird.
Bild: Büro für Unfallanalyse Florin
Doch spielt die Masse des Fahrzeugs nicht auch eine Rolle? Unfallanalyst Alain Florin erklärt, das Gewicht habe durchaus einen Einfluss auf die kinetische Energie: «Hätte es sich beim Porsche um ein leichteres Fahrzeug gehandelt, wäre der Renault weniger stark beschleunigt und mit einer etwas geringeren Geschwindigkeit gegen den LKW geschoben worden.»
Doch: Da die Geschwindigkeit potenziert wird, ist deren Einfluss auf die kinetische Energie sehr viel höher. Daher hätte ein etwas leichterer Wagen den Einschlag zwar verringert, eine tiefere Geschwindigkeit hätte aber den weitaus grösseren Unterschied gemacht.
Das zweite Problem bei überhöhten Geschwindigkeiten: Der Bremsweg wird bei doppelter Geschwindigkeit ebenfalls viermal länger – und das kann entscheidend sein. In einem Crashtest des deutschen Automobilclubs ADAC zeigte sich, dass nur 10 Kilometer pro Stunde bereits grosse Unterschiede ausmachen können. So kann ein Autofahrer bei einem Abstand von 50 Metern und einem Tempo von 100 sein Auto noch auf 64 herunterbremsen, bevor es kracht.
Wer jedoch bei den gleichen Voraussetzungen mit 110 unterwegs ist, kracht mit Tempo 80 in das Hindernis. Welchen Unterschied das ausmacht, zeigen folgende Bilder des ADAC:
Aufprall mit 64 km/h ... Bild: ADAC
... und mit 80 km/h. Bild: ADAC
Im ersten Crashtest wird beim Auto über die Knautschzone hinaus kaum etwas eingedrückt. Bei einem Aufprall mit 80 Kilometern pro Stunde sind laut ADAC-Test die Chancen für lebensgefährliche Verletzungen durch das Eindrücken des Steuerrades auf den Brustkorb des Fahrers sehr viel höher.
Ausserdem empfiehlt Unfallexperte Florin, bei Kolonnenverkehr auf Autobahnen extra viel Abstand zum vorderen Wagen zu lassen. Schon mit einem Abstand von wenigen Metern mehr könnte man im Falle eines Auffahrunfalls noch nach links oder rechts ausweichen, um einen Aufprall mit dem Vorderwagen zu verhindern. «Das gilt insbesondere, wenn ich hinter einem LKW zum Stehen komme», so Florin.
Bild: ch media