Die Appenzeller pflegen ihre Traditionen.
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Im konservativen Kanton Appenzell Innerrhoden ist ein Streit entbrannt zwischen der lokalen Zeitung «Appenzeller Volksfreund» und der SVP. Grund: Die Redaktion schrieb wiederholt gegen die Durchsetzungs-Initiative. Eine Geschichte über Meinungsfreiheit, traditionelle Werte und Rassismus.
Appenzell Innerrhoden ist ein malerischer Kanton. Mit seiner hügeligen Landschaft, mit dem Alpstein, mit den «gmögigen» Einheimischen. Von Fremden sind viele mässig begeistert. Touristen, die wieder gehen, sind gerne gesehen. Solche, die bleiben, eher weniger. Abstimmungen zeigen dies eindrücklich. Egal, ob es um Minarette ging, um die Masseneinwanderung oder um Ausschaffungen – Innerrhoden wehrte sich immer mit über 60 Prozent gegen «das Fremde».
Jetzt geht es um die Durchsetzungs-Initiative (DSI) und es ist etwas geschehen, das die Idylle trübt. Die Zeitung Appenzeller Volksfreund, ein betont unabhängiges Blatt, mischt sich in den Abstimmungskampf ein und schreibt sehr deutlich gegen die DSI. Zuerst schrieb der Redaktor Toni Dörig, gleich nach der Hauptversammlung der Innerrhoder SVP, einen Kommentar. Er begann so:
Toni Dörig, Redaktor «Appenzeller Volksfreund».
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Mit diesen Zeilen hätte die SVP leben können, wie Ruedi Eberle, Präsident der SVP Appenzell Innerrhoden, gegenüber watson sagt. Es war der letzte Abschnitt des Kommentars, den die SVP nicht so auf sich sitzen lassen will:
Ruedi Eberle, Präsident der SVP Appenzell Innerrhoden, im TV-Interview.
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Toni Dörig, «Appenzeller Volksfreund»
Der Rassismus-Vorwurf geht der SVP zu weit. Sie beschwerte sich über den regionalen Fernsehsender Tele Ostschweiz über den «Volksfreund» und stellte in einem Leserbrief die Frage, ob die Zeitung mit solchen Inhalten ihre Macht missbrauche. Die Antwort gab Emil Nisple, VR-Präsident der «Druckerei Appenzeller Volksfreund Genossenschaft»: Es gebe Pressefreiheit und es könne in keiner Weise von einem Missbrauch gesprochen werden.
Emil Nisple, VR-Präsident der «Druckerei Appenzeller Volksfreund Genossenschaft».
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Eigentlich könnte die Geschichte hier enden, doch die Redaktion legte nach. Am letzten Samstag schrieb «Volksfreund»-Redaktionsleiter Rolf Rechsteiner einen Leitartikel mit dem Titel «Ein brandgefährliches Experiment». Rechsteiner bedankt sich darin bei der SVP für den Steilpass und erklärt den Rassismusvorwurf vertieft:
Rolf Rechsteiner, «Appenzeller Volksfreund»
Rechsteiner sagt, weder bei der Initiative gegen Minarette, der Ausschaffungsinitiative, noch der Initiative gegen Masseneinwanderung habe sich der «Volksfreund» aktiv in den Abstimmungskampf eingeschaltet. Jetzt sei dies anders, «weil ich der festen Überzeugung bin, dass die Propaganda von Rechts nicht unwidersprochen hingenommen werden darf.» Rechsteiner ruft vor allem jene 49,4 Prozent der stimmberechtigten Innerrhoderinnen und Innerrhoder auf, die 2010 nicht abstimmten. «Es liegt an ihnen, die eigene und die Ehre des Vaterlandes zu retten.»
Rolf Rechsteiner, Redaktionsleiter «Appenzeller Volksfreund».
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Die SVP hat Rechsteiners Leitartikel zur Kenntnis genommen und wird nichts weiter unternehmen. Eberle dementiert, dass für Journalisten des «Volkfreunds» künftig ein Hausverbot an SVP-Versammlungen gelte. Aber: «Toni Dörig wollen wir an unseren Anlässen nicht mehr sehen, der ‹Volksfreund› soll in Zukunft bitte andere Redaktoren schicken.»