Nationalratspräsident Andreas Aebi (links) durfte heute zum ersten Mal das tun, was seine Vorgängerin Isabelle Moret auch tun durfte: Minutenlang unbestrittene Änderungen vorlesen. Bild: KEYSTONE
Nationalratssekretäre haben einen besonderen Humor. Sie trollen ihre Chefs, wenn ganz viele Gesetzesänderungen nicht bestritten werden. Heute kam SVP-Nationalratspräsident Andreas Aebi dran.
Im Bundeshaus herrscht ein ganz besonderer Humor. Sehen kann man ihn, wenn man sich zu Unzeiten wie am Dienstagmorgen den Nationalrats-Livestream anschaut. Zu noch verschlafenen Zeiten durften die Volksvertreter über das Geschäft mit dem sperrigen Titel «Systematische Verwendung der AHV-Nummer durch Behörden» diskutieren.
Der Titel sagt schon, worum es dabei ging: Behörden sollen die AHV-Nummer von Bürgerinnen und Bürgern verwenden dürfen, wenn sie deren Daten bearbeiten. Das macht alles einfacher – bislang fehlte aber die Gesetzesgrundlage dazu. Der Bundesrat will dies nun offiziell erlauben, dafür braucht es aber eine Menge Gesetzesänderungen. Achtunddreissig, um genau zu sein.
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Nationalratspräsident Andreas Aebi (SVP) musste diese Änderungen heute alle einzeln vorlesen. Nachdem die wichtigsten Anpassungen im AHV-Gesetz diskutiert wurden, kamen die «Änderungen anderer Erlasse» dran. Aebi kündigte das – wohl nicht ganz ernst gemeint – mit «jetzt wird's spannend» an.
Nationalratspräsident Andreas Aebi
Es folgte ein 3:40 Minuten langer Monolog, bei dem Aebi alle Änderungen der 37 Nebenerlasse auflistete. Der amtierende Nationalratspräsident, vom militärischen Grad her ein Major und nebenberuflich ein Auktionator, ratterte sturmgewehrartig alle Punkte fehlerfrei ab. Weil niemand irgendwas in letzter Millisekunde ändern wollte, durfte Aebi protokollarisch feststellen: «So beschlossen.»
Aebis Einsatz wurde – getreu der Tradition – mit Applaus verdankt. Wie im Nationalrat üblich, hätte nun dieselbe Auflistung der unbestrittenen Änderungen auf französisch folgen sollen. Major Aebi gab den Dienstbefehl an den Parlamentssekretär in perfektem Bundesfranzösisch (français fédéral) ab: «Maintenant en français.»
Nationalratspräsident Andreas Aebi
Seine Nationalratskolleginnen und -kollegen lachten. Der Sekretär auch, weil er sich mit einer Abkürzung begnügen durfte – und damit seinen Chef gewissermassen trollte: Er fasste Aebis 220 Sekunden langen Monolog mit «Pour tous les articles mentionnés par le Président: Ainsi décidé» («Für alle vom Präsidenten erwähnten Artikel: Somit entschieden.») zusammen.
Nationalratssekretär Pierre-Hervé Freléchoz
Stellt sich die Frage: Warum müssen Nationalratspräsidentinnen und -präsidenten solch lange Monologe führen? Die Antwort findet sich im Gesetz. Dieses schreibt vor, dass vor einer Abstimmung «eine kurze Übersicht über die vorhandenen Anträge» gemacht wird. Diese kurze Übersicht kann halt auch mal etwas länger ausfallen, selbst dann, wenn etwas nicht bestritten wird. Es könnte ja sein, dass in letzter Sekunde ein Gegenantrag gestellt wird.
Im Sommer 2020 gab Aebis Vorgängerin, Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (FDP), eine ähnliche Show ab. Damals mit umgekehrten sprachlichen Vorzeichen: Sie ratterte die Gesetzesänderungen zwei Minuten lang auf französisch ab. Die Nationalratssekretärin lieferte schmunzelnd die Zusammenfassung auf deutsch: «Die von der Präsidentin aufgeführten Gesetze und Bestimmungen – so beschlossen.»
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