Radikalismus darf nirgends auf der Welt Platz haben. Schon gar nicht Rechtsradikalismus. Ein Blick zurück zeigt, wie dieses Geschwür ganz gewaltlos unschädlich gemacht wird.
Leider, leider halten rechtsradikale Tonalitäten in den letzten Jahren wieder Einzug in die politische Landschaft – auch hierzulande. Ob ganz offensichtlich oder unter dem Deckmantel rhetorischer Verbiegungen. Klar ist: Der «Vibe» ist ein wenig ungemütlich.
Neben der Politik schlägt sich die rechtsradikale Ideologie auch in der «Kultur» nieder. Insbesondere in Deutschland, wo immer wieder sogenannte Rechtsrockkonzerte veranstaltet werden. Verbote sind juristisch allgemein schwierig (Grauzonen, freie Meinungsäusserung) und würden vermutlich ohnehin eher reizen als lindern.
Doch anstatt jammernd zu klagen, kann auch Widerstand aufgebaut werden. Friedlich, konstruktiv und manchmal auch einfach nur lustig. Wie kürzlich in Thüringen.
Im Juni dieses Jahres lieferten die Einwohner von Ostritz am östlichen Zipfel der Deutschen Bundesrepublik ein wunderbares Beispiel in passivem Widerstand.
Ein Rechtsrockkonzert gastierte in der Ortschaft. Obwohl der Bierausschank an der Veranstaltung verboten war, war dies den Bewohnern nicht Schikane genug. Im Ostritzer Supermarkt kauften sie den gesamten Biervorrat in einer orchestrierten Aktion leer.
Bild: DPA-Zentralbild
Bild: DPA-Zentralbild
Wenn wir es euch nicht verbieten können, dann sollt ihr es aber auch nicht geniessen.
2014 fand in Wunsiedel, Bayern, der jährlich stattfindende Rudolf-Heß-Gedenkmarsch statt, bei dem Rechtsradikale dem Tod des ehemaligen Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß gedenken.
Heß neben Hitler. Bild: AP
Doch anstatt sich lästig friedenfordernd in den Weg zu stellen oder Steine im Namen des Pazifismus zu werfen, jubelten die Bewohner dem braunen Tross frenetisch zu. Der Grund?
Die Aktion «Rechts gegen Rechts» organisierte den sogenannten «unfreiwilligsten Spendenlauf Deutschlands», bei dem Geschäftsleute und Privatpersonen der Region für jeden von Nazis zurückgelegten Meter 10€ an die Organisation «EXIT-Deutschland» (Hilfsorganisation zum Ausstieg aus rechtsradikalen Kreisen) spendeten. Die Neonazis erfuhren dies erst vor Ort und mussten sich entscheiden: Nicht marschieren oder gegen Nazis spenden.
Auf dem Transparent steht: «Wenn das der Führer wüsste!»
Bananen der Marke «Mein Mampf» zur Stärkung der Marschierenden, damit auch sicher genug Spenden zusammenkommen.
Mit dabei: Eine «Siegerurkunde» mit dem gesammelten Betrag und dessen Verwendungszweck darauf, die an die Rechtsradikalen verteilt wurde.
Und noch eine öffentliche Danksagung (Bild aus dem Jahr 2015).
Wenn schon laufen, dann für einen guten Zweck.
Der Meier hat keine Ahnung von französischen Sinnsprüchen? Absolut korrekt. Trotzdem passt dieses Sprichwort hier «falsch» einfach besser.
Bei einem Marsch des Ku-Klux-Klans (KKK) in Charlottesville im Jahre 2015 gab einer der Gegner der Veranstaltung seine ganz eigene, durchaus kreative Form des Widerstands wieder.
Video: YouTube/Diana Martin
Die Rechtsradikalen sind aufgrund ihrer Cleverness, ihrer Weitsicht und ihres Witzes in der Regel dazu veranlasst, ihrem Hass auf enorm geistreiche Art und Weise Ausdruck zu verleihen. Das klassische Beispiel ist dabei das Bananen-Werfen auf Andersfarbige.
Bravo, Dani Alves. Gif: imgur
Meinungs- und Redefreiheit ist DAS Argument unter Rechtsradikalen.
Im Zeitalter von Whataboutism und alternativen Realitäten fühlt sich plötzlich die ganze Welt dazu verdammt, ständig und möglichst kontrovers die eigene Wahrnehmung in klebrig-objektive Bubble-Fakten-Essenz zu tunken, anschliessend in einen Schafspelz einzuwickeln und auf dem Bazar der subjektiven Wahrheit stolz zu präsentieren.
Thanks, Obama. Bild: watson / imgflip
Katalysator der konstanten Selbsternennungsneurose und Ich-Kultur ist zweifelsohne das Internet – mit all seinen Blogs, Foren und Bubbles. Alles ungefiltert, dafür mit massenhaft Bullshit gestreckt. Und weil es so einfach ist, ist es auch so einfach zu infiltrieren.
Beispiel bei Reddit (selbsternannte «Frontpage of the internet»): Sind dort Moderatoren von Subreddits (quasi geschlossene Foren auf Reddit) mehr als 60 Tage inaktiv, können diese Subreddits von neuen Usern übernommen werden.
«Bevorzugt ihr Oxy Clean oder Bleichmittel für weisse Wäsche?» Bild: reddit
«Weshalb diese gänzlich weissen Gemälde in Museen hängen und meine nicht.» Bild: reddit
«Würdet ihr eine weisse Regenjacke tragen? Bin nur neugierig.» Bild: reddit
«Die beste Farbe für einen schnellen Hausverkauf? Weiss.» Bild: reddit
S«türme über Milwaukee von letzter Woche.» Bild: reddit
«Ein starker Typhoon trifft demnächst auf japanisches Festland.» Bild: reddit
Ähnlich auch auf Facebook, wo aus einer «White Pride»-Gruppe (Name der Gruppe: «confederate pride, heritage not hate.») plötzlich eine «LGBT Southerners for Michelle Obama»-Gruppe wurde:
Bild: cheezburger
Bild: cheezburger
Post unten: «Ich habe viel ‹confederate pride› in dieser Gruppe bemerkt, die klar und deutlich der Feier aller Queer-Unterstützer von Michelle Obama, Judaismus und gemischtrassigen Ehen gewidmet ist. Offensichtlich haben einige von euch die Bedeutung dieser Gruppe nicht verstanden, als ihr beigetreten seid. Bei Fragen, wendet euch an den Admin.» Bild: cheezburger
(Die detaillierte Geschichte dieser Facebook-Gruppe findest du hier.)
Ein bisschen Gaslighting für den guten Zweck? Wieso auch nicht? So schwer scheint es ja nicht zu sein ...
Klar, das Rad wurde hier nicht neu erfunden. Vielleicht hat es aber eine andere Wirkung, wenn im Twitter-Dickicht der Selbstherrlichkeit Menschen in höheren Positionen dies tun.
Tomi: «Wenn sie keine Dreckskaff-Länder sind, wieso bleiben die Bewohner dann nicht in ihren Ländern? Seien wir ehrlich. Sagen wir, wie es ist.» – Kevin Sieff: «Hey Tomi, der Dreckskaff-Bürochef hier. Liebe deine Berichte über auswärtige Angelegenheiten. Wusstest du, dass 8,7 Mio. Amerikaner im Ausland leben? Kann mir nicht vorstellen, wieso die gegangen sind.»
Jedes Kaff mit «Kifferbrüggli» (oder «Kifferbänkli») kennt es: Irgendwo hat irgendein Vollidiot irgendwann mal irgendeine Interpretation eines Hakenkreuzes hingeschmiert. Saulääss. Anstatt diese schlicht durchzustreichen oder wegzumachen, kann man sie auch einfach zu smarten Kunstwerken machen. Ironie inklusive!
Im August 2011 fand in Gera, Ostdeutschland (wo sonst?) ein Rechtsrockkonzert (was sonst?) statt. Besonders erwähnenswert dabei: Es wurden Gratis-Shirts (oder im Neonazi-Slang: «Gratis-T-Hemden», kein Witz) mit nationalsozialistischem Sujet verteilt.
Wer das Shirt aber gewaschen hat, um es ein zweites Mal zu tragen, der wurde womöglich relativ schnell überrascht:
Bild: exit-deutschland
Dahinter steckte erneut die Berliner Neonazi-Aussteiger-Initiative «EXIT-Deutschland». Beneidenswerte Ideen, die dort schlummern.
Also ja, nicht ganz. Aber wenn jemand schon viel heisse Luft möglichst laut los wird, kannst du das auch. Gilt ja schliesslich die Redefreiheit.
«Dieser Idiot wollte eine rassistische Ansage machen und dieser Typ hörte nicht auf, ‹NEIIIIIN› in sein Gesicht zu schreien lmao.»
Wie Lee Richards in seinem Buch «The Black Art: British Clandestine Psychological Warfare against the Third Reich» beschreibt, gelang einer Sondereinsatztruppe für die psychologische Sabotage hinter feindlichen Linien 1944 in Schweden ein unterhaltsamer Coup.
In der Nazi-Zeitschrift «Der Deutsche in Schweden» bekamen zwei Mitglieder des Kommandos Wind davon, dass die Deutschen in Schweden eine Gala planten, in die man nur auf offizielle Einladung des Deutschen Konsulats gelangte.
Bild: wikipedia
Die britischen Agenten bastelten daraufhin 3'000 Fake-Einladungen nach bestem Wissen und Gewissen (Vorlage hatten sie keine) – gefälschte Unterschrift des deutschen Presse-Attachés inklusive – und sendeten diese dank erstellter Geheimdienst-Listen an schwedische Nazi-Sympathisanten.
Das Resultat waren 3'000 aufgebrezelte Nazi-Fanboys aus allen Ecken Schwedens vor dem Auditorium der Stockholmer Stadtschule, die erbost um ihren Eintritt stritten. Verärgerte Deutsche, überforderte Türsteher, verwirrte Politiker. Ewan Butler, einer der beiden Strippenzieher, beschrieb die Szene als «erfreulich chaotisch».
gif: gyfcat